Das Modellprojekt Pass[t] Genau – Beratungsnetzwerk für Einbürgerungsinteressierte hat sich zum Ziel gesetzt, Einbürgerungsprozesse in Deutschland zu verbessern. Denn obwohl sich auf politischer Ebene mit der Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes bereits etwas bewegt, gibt es in den Kommunen noch viel Nachholbedarf. Antragsverfahren sind für Einbürgerungsinteressierte häufig undurchsichtig und hürdenreich, lange Wartezeiten und fehlende Informationen senken die Motivation bei vielen Antragsstellenden. Durch den Einsatz von Einbürgerungslots*innen, die bei der Antragsstellung unterstützen und bei Problemen und Sorgen weiterhelfen, können Hürden abgebaut werden. Gefördert wird das Projekt von Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, zugleich Beauftragte für Antirassismus über Einbürgerungen in Deutschland, die zum Projektauftakt unsere Fragen beantwortet hat.
Ein neues Staatsangehörigkeitsrecht ist auf dem Weg. Welchen Beitrag wird das Gesetz für das Einwanderungsland Deutschland und die Stärkung unserer Demokratie leisten?
Reem Alabali-Radovan: Ein wichtiger Schritt ist, dass wir endlich die Mehrstaatigkeit für alle zulassen, also die doppelte Staatsbürgerschaft. Darauf warten viele seit langer Zeit. Wir stärken Zugehörigkeit, politische Partizipation und Identifikation, denn eine starke Demokratie lebt von der Möglichkeit, im eigenen Land mitzubestimmen, zu wählen und gewählt zu werden. Und wir verkürzen die Fristen für den Erwerb des deutschen Passes. Eine Einbürgerung wird schon nach fünf Jahren, statt bisher nach acht Jahren möglich sein. Studien haben gezeigt: Je kürzer die Fristen sind, desto mehr investieren die Menschen in ihre Sprach- und Berufsausbildung. Sie fühlen sich motiviert.
Mit Pass[t] Genau werden ehrenamtliche Einbürgerungslots*innen eingesetzt, die einbürgerungsinteressierte Personen auf dem Weg zum deutschen Pass begleiten. Welchen Vorteil sehen Sie in diesem community-basierten Ansatz?
Reem Alabali-Radovan: Einbürgerungslotsinnen und -lotsen sind oftmals selbst eingebürgert. Sie kennen den Prozess und eventuell auftretende Hürden sowohl persönlich als auch professionell. Sie können ihre Erfahrungen weitergeben und bieten dadurch eine hohe Glaubwürdigkeit und Identifikation mit dem Thema. Wir erleben, dass Hemmschwellen beim Umgang mit der Einbürgerungsbehörde so leichter abgebaut werden können. Die Anträge sind besser vorbereitet und können schneller geprüft werden.
Insgesamt steigt das Interesse für Einbürgerung seit kurzer Zeit – ein Trend, der sich mit geplanten Erleichterungen fortsetzen wird. Unser Projekt kann dabei eine Stütze für die zuständigen Behörden sein, die besser vorbereitete Anträge bekommen. An dem Antragsstau, der in vielen Kommunen Realität ist, kann das Projekt aber nichts ändern. Welche weiteren Maßnahmen sehen Sie zur Verbesserung der Einbürgerungsprozesse als erforderlich?
Reem Alabali-Radovan: Die Behörden müssen sich gut aufstellen, personell und digital. Eine digitale Verwaltung spart für alle Beteiligten viel Zeit. Die Behörden können sich untereinander besser vernetzen und austauschen, Anträge schneller bearbeiten. Antragstellende profitieren von transparenten und bundesweit einheitlichen Verfahren. Auch Einbürgerungslotsinnen und -lotsen können einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Einbürgerungsprozesse in Deutschland leisten. Ich hoffe, dass weitere Bundesländer das Projekt als Blaupause nutzen können.