Sehr geehrte Frau Pawlik, wir gratulieren Ihnen zu Ihrem neuen Amt als Integrations- und Antirassismusbeauftragte! Was bedeutet dieses Amt für Sie und was motiviert Sie persönlich, sich für Themen wie Integration und Teilhabe einzusetzen?
Natalie Pawlik: Vielen Dank für die Glückwünsche! Für mich ist dieses Amt eine große Verantwortung und zugleich eine Herzensangelegenheit. Ich bin in Sibirien geboren und mit sechs Jahren als Spätaussiedlerin mit meiner Familie nach Deutschland gekommen. Ich weiß also, was es heißt, in einem neuen Land anzukommen und sich zurechtzufinden. Das hat mich geprägt und ich will, dass die Menschen, die zu uns kommen – ob zum Arbeiten, zur Ausbildung oder als Geflüchtete – keine Steine in den Weg gelegt bekommen, sondern sich direkt einleben können. Integration und Teilhabe dürfen keine Glückssache sein – sie müssen strukturell ermöglicht und unterstützt werden. Deshalb setze ich mich mit ganzer Kraft dafür ein, dass alle Menschen in Deutschland faire Chancen auf Bildung, Arbeit, gesellschaftliche
und politische Mitgestaltung erhalten. Vielfalt ist eine Stärke und eine enorme Chance für unser Land – und das möchte ich sichtbar machen und fördern.
In Deutschland leben seit Jahren viele Menschen, ohne eingebürgert zu sein. Das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist vor einem Jahr in weiten Teilen in Kraft getreten. Wie blicken Sie auf dieses Jahr zurück? Was hat sich positiv verändert? Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Natalie Pawlik: Der Rückblick auf dieses Jahr zeigt: Die Reform war überfällig und richtig. Viele Menschen haben lange darauf gewartet: auf die Möglichkeit die bisherige Staatsangehörigkeit zu behalten, die Verkürzung der Aufenthaltsfrist für eine Einbürgerung und die Erleichterungen für Gast- und Vertragsarbeiterinnen und – arbeiter. Die Änderungen wurden sehr positiv aufgenommen. Die Zahlen aus den Bundesländern zeigen einen deutlichen Anstieg der Einbürgerungen. Das ist ein starkes Signal der Zugehörigkeit zu unserem Land und des Vertrauens in unsere Demokratie. Gleichzeitig wissen wir, dass die Verfahren in vielen Regionen lang dauern und die Kapazitäten in den Einbürgerungsbehörden an ihre Grenzen stoßen. Hier braucht es schnellere Prozesse, insbesondere auch mit Hilfe digitaler Lösungen. Und es braucht gute Beratung für Einbürgerungsinteressierte. Genau dabei unterstützt das von mir geförderte Projekt „Pass[t] Genau!“.
Was wünschen Sie sich für die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Projekten wie Pass[t] Genau?
Natalie Pawlik: Einbürgerung ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Es braucht engagierte Kommunen, gut aufgestellte Landesbehörden, unterstützende Projekte aus der Zivilgesellschaft – und eine Bundesregierung, die den richtigen gesetzlichen Rahmen schafft und mit Informationen für Länder, Kommunen und Einbürgerungsinteressierte unterstützt. Ich wünsche mir, dass wir alle an einem Strang ziehen und praktische Lösungen finden, die Menschen bei der Entscheidung und im Prozess der Einbürgerung helfen, aber gleichzeitig auch die Behörden entlasten. Projekte wie „Pass[t] Genau!“ sind dabei wichtige Brückenbauer: Sie schaffen Vertrauen, klären auf und begleiten individuell. Das ist genau die Art von Unterstützung, die wir brauchen.
Was möchten Sie persönlich als Integrationsbeauftragte in dieser Legislaturperiode im Bereich Einbürgerung und Integration erreichen?
Natalie Pawlik: Ich möchte, dass mehr Menschen das Gefühl haben: Meine Anstrengungen werden gesehen und ich bin Teil dieser Gesellschaft. Deutschland ist dauerhaft mein Zuhause, ich lebe und arbeite hier und entscheide mich für eine Zukunft hier – und diese Zugehörigkeit möchte ich auch mit einer deutschen Staatsangehörigkeit ausdrücken. Dafür müssen wir beispielsweise durch Digitalisierung bürokratische Hürden abbauen und die Verfahren vereinfachen aber auch viel früher und mehr informieren und beraten. Gleichzeitig möchte ich, dass Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird: Sie beginnt beim Erlernen der deutschen Sprache, führt über Kita, Schule, Ausbildung und Arbeit und geht bis hin zur politischen Teilhabe. Ich setze mich dafür ein, dass wir Integration mit Haltung, Ressourcen und konkreten Maßnahmen voranbringen – nicht nur abstrakt, sondern ganz praktisch vor Ort in den Kommunen und in engem Austausch mit allen Akteuren in Politik, Behörden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.